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UNGLEICHHEIT UND SOZIALE ARBEIT

2021

KESB: Soziale Arbeit zweitrangig?

Elena Wilhelm

 

Das interprofessionelle Handeln im Kontext des Kindes- und Erwachsenenschutzes ist empirisch wenig abgesichert. Die kleine Fallstudie zeigt anhand von drei Gesprächen mit zwei Sozialarbeiterinnen und einem Sozialarbeiter der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde bzw. des Familiengerichts auf, was unter sozialarbeiterischem Handeln im Kindes- und Erwachsenenschutz verstanden wird und wie das interprofessionelle Handeln aus Sicht der Sozialen Arbeit gelingt. Eine Studie von Müller-Hermann et al. (2017) kommt zum Schluss, dass die Vorstellung, dass in einem interprofessionellen Entscheidungsgremium das je spezifische Wissen unterschiedlicher Professionen ein- und zusammengebracht wird, nur sehr begrenzt zutreffe. Es würden vielmehr Denk- und Arbeitsweisen aufeinandertreffen, die kaum miteinander vereinbar seien. Die Sozialarbeiterinnen als Fachfremde würden wie Laienrichterinnen behandelt, die von der vorsitzenden Richterin geführt werden. Die Erkenntnisse aus den drei Gesprächen bestätigen diesen Befund nicht. Die interprofessionelle Zusammenarbeit erweist sich als herausfordernd, konfliktanfällig aber zielführend. In den Gesprächen kommt gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung der Beteiligten der unterschiedlichen Professionen zum Ausdruck und die Bereitschaft, sich aufeinander und die unterschiedlichen Kompetenzen einzulassen. Natürlich tauchen auch Reminiszenzen an Zeiten juristischer Vormachtstellung und andere Entwicklungsbedarfe auf. Insgesamt aber ist die Soziale Arbeit auf gutem Weg, das von Kay Biesel und Stefan Schnurr (2014) formulierte Best-Case-Szenario der Sozialen Arbeit im Kindes- und Erwachsenenschutz zu erreichen.

In: Zeitschrift für Kindes- und Erwachsenenschutz, 2021, S. 303-319.

 

2018

Ökonomische Ungleichheit in der Schweiz

Mischa Croci-Maspoli und Elena Wilhelm

Ursachen und Auswirkungen der ökonomischen Ungleichheit gehören zu den wichtigsten Themen unserer Gesellschaft. Angeregt durch die Studien von Thomas Piketty wird in dieser Studie die ökonomische Ungleichheit in der Schweiz von 1981 bis 2014 untersucht. Dabei wird auf die Diskussion von Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen fokussiert. Die Vermögensungleichheit wurde bisher in der Forschung kaum berücksichtigt und ist erst in jüngerer Zeit in den Fokus des Interesses gerückt. Als Datengrundlage werden Steuerdaten, sowie Daten des Global Wealth Databook und der Weltbank verwendet. Zur methodischen Kontrolle werden drei verschiedene Ungleichheitsmasse verwendet. Die Resultate zeigen, dass die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen in der Schweiz während den letzten zwanzig Jahren zugenommen hat, wobei sowohl die Ungleichheit wie auch die Zunahme bei den Vermögen deutlich stärker ausgeprägt ist als bei den Einkommen. Das Vermögen ist ein entscheidender Faktor für die ökonomische Ungleichheit. Immer wieder gleichgesetzt wird die Armuts- und die Ungleichheitsfrage. Es geht in der Frage nach der ökonomischen Ungleichheit in der Schweiz jedoch nicht primär um Armutsfragen, sondern um mögliche Implikationen der ökonomischen Ungleichheit auf politischer, gesellschaftlicher und sozialer Ebene. Starke ökonomische Ungleichheit kann demokratische Prinzipien gefährden und zu politischer, ökonomischer und sozialer Instabilität führen. Diese Implikationen hängen nicht davon ab, wie vermögend eine Gesellschaft als Ganzes ist, sondern wie der Wohlstand innerhalb einer Gesellschaft verteilt ist («relative Ungleichheit»). Über die eigenen Erkenntnisse hinaus wurde deutlich, dass es in der Schweiz mehr Ungleichheitsforschung auf der Basis von Mikrodaten braucht. Empirisch differenzierter zu eruieren sind auch die Auswirkungen der Pensionsguthaben auf die Ungleichheit und für die internationale Komparatistik wird vorgeschlagen, die Differenz von Gini-Einkommen und Gini-Vermögen zu berechnen.

Abschlussarbeit im Rahmen des EMBA UZH 2018

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2009

Reflexivität und Soziale Arbeit

Elena Wilhelm und Cornelia Rüegger

   

Es geht nicht um eine Reflexion des Subjektes über sich selbst. Die Reflexivität geht weit über die gelebte Erfahrung des Subjektes hinaus und umfasst die organisatorische und kognitive Struktur der ganzen Profession. Der Sozialarbeiter hat nur dann die Möglichkeit, den gesellschaftlichen Bedingungen, deren Produkt er ist, zu entgehen, wenn er sich mit der Erkenntnis der auf der Profession und ihm selber lastenden gesellschaftlichen Determinierungen ausrüstet und die Zwänge und die Begrenzungen reflektiert, die an die eigene Stellung gebunden sind. Es muss gelingen, eine solche Reflexivität in der Profession zu institutionalisieren und in der Einstellung der Professionellen zu habitualisieren. Um einen reflexiven professionellen Habitus als modus operandi dieser Reflexivität zu entwickeln, müssen in der Ausbildung Verfahren und Methoden der Sozioanalyse (verstanden als Anamnesearbeit an der Profession und an sich selbst) deutlich stärker gewichtet werden. Die Antwort auf die Frage, wie das Handeln in der Sozialen Arbeit trotz möglichen Strukturzwängen gelingender zu gestalten ist, liegt folglich in der Reflexivität als (inkorporierte) Methode und Bestandteil des professionellen Habitus.

 

In: Sozialarbeit in Österreich. Zeitschrift für Soziale Arbeit, Bildung & Politik, 2009, 1, 8-11.

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2009

Soziale Arbeit im Strafvollzug Russlands

Elena Wilhelm, Cornelia Rüegger, Joel Gautschi, Sigrid Schilling, Olga Kurenkova

   

1997 beschloss das Justizministerium Russlands die Einführung einer Ausbildung von Sozialarbeitenden für die 846’000 Häftlinge in den russischen Gefängnissen. An der russischen Hochschule «Institut für Recht und Ökonomie» in Volodga (VIPE) wird die Professionalisierung der Sozialen Arbeit im russischen Strafvollzug durch Forschung, Entwicklung und Ausbildung von Sozialarbeitenden für den Bereich des Strafvollzugs vorangetrieben. In den letzten zwei Jahrzehnten hat der Strafvollzug in Russland zwar grosse Veränderungen erfahren. Die professionelle, systematische und methodisch geleitete Unterstützung durch die Soziale Arbeit zur Re-Integration der Gefangenen ist jedoch nach wie vor randständig. Daraus entwickelten sich das Bedürfnis und die Erwartung unserer russischen Kooperationspartnerin nach der Etablierung einer individualisierenden und die Lebenslage klärenden Sozialen Arbeit in den russischen Gefängnissen, wofür sie unsere Hochschule um Mithilfe bat. 

 

Artikel in: Sozial Aktuell, 2009, 11, 38-40.

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2008

Forschungslandschaft Soziale Arbeit Schweiz

Elena Wilhelm und Myriam Rutschmann

   

Vor sieben Jahren wurde resümiert, dass in der Schweiz wenig in der Sozialen Arbeit geforscht werde und das Profil dieser Forschung unscharf sei. Aus hochschul- und bildungspolitischen Gründen hatten sich zudem zwei Konzepte von Forschung an Universitäten und Fachhochschulen herausgebildet, die gegeneinander ausgespielt wurden. Wie sieht die Situation heute aus? Eine Übersicht über die Entwicklung der Forschungslandschaft in der Schweiz unter besonderer Berücksichtigung der Frage der Integration von Forschung und Bildung.

In: Sozial Extra, Zeitschrift für Soziale Arbeit, 2008, 1/2, 11-13.

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2007

Ungleichheit durch Sozialpolitik und Soziale Arbeit

Daniel Gredig und Elena Wilhelm

   

Auftrag und Selbstverständnis der Sozialen Arbeit, auf die soziale Integration bzw. Inklusion und die (Wieder-)Herstellung der Subjektivität ihrer Klientel hinzuwirken, verbürgen allerdings nicht, dass die institutionellen Regelungen und beruflichen Praxen in der Tat eine Hilfe zur Integration darstellen und Herstellung von Subjektivität ermöglichen. Weil die Gewährung sozialpolitischer Leistungen systematisch an das Vorliegen von Anspruchsvoraussetzungen geknüpft ist (und Leistungsstrukturen das Ergebnis machtstrukturierter Auseinandersetzungen sind), können institutionelle Regeln stets auch Personen vom Bezug von Leistungen ausschliessen. 

Buchkapitel in: Brumlik et al. (Hg.): Bildung, Macht, Gesellschaft, 2007, 243-258.

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2007

Vom Scientist-Practioner zum Information Scientist?

Esther Forrer, Anne Parpan-Blaser, Elena Wilhelm

   

Evidence-based social work befasst sich mit der Frage nach einer guten bzw. besseren und vor allem wirkungsvolleren Praxis der Sozialen Arbeit. Diese Frage ist alt. Wie steht es mit der Antwort? Die Antwort der Protagonistinnen ist, dass der Rekurs im Handeln auf Theorie unzulänglich sei und sich das Handeln indes auf die Ergebnisse empirischer Wirkungsforschung abstützen müsse. Diese würden vorzugsweise durch randomisierte Kontrollstudien gewonnen und sollten in Manualen und Leitlinien gebündelt abgerufen werden können. Evidence-based social work kann insofern als eine – hinsichtlich dem deutschsprachigen professionalisierungstheoretischen Diskurs – konkurrierende Neuauflage der Frage betrachtet werden, welches Wissen die Soziale Arbeit braucht, um wirksam zu sein. Das Modell hat viel Zustimmung und Kritik evoziert. In der kritischen Auseinandersetzung mit evidence-based social work geht es unter anderem um die Frage nach der Legitimität und Nützlichkeit verschiedener Wissensformen sowie der Art und Weise der Wissensverwendung. In diese Debatte mischen wir uns ein – unter besonderer Berücksichtigung der Frage, was die von uns generierten Erkenntnisse für die Ausbildung in der Sozialen Arbeit bedeuten.

 

Buchkapitel in: Sommerfeld et al. (Hg.): Evidenzbasierte Soziale Arbeit, 2007, 148-171

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2006

Kehrseiten der Sozialen Arbeit

Daniel Gredig und Elena Wilhelm

   

Es müssen neue Perspektiven für die Sozialpolitik und Handlungsoptionen für die eigene Praxis entwickelt werden, die nicht zur Verschärfung oder Perpetuierung von sozialer Ungleichheit beitragen.

In: Sozial Aktuell, 2006, 11, 17-18.

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2006

Abschied von der grossen Erzählung

Elena Wilhelm

   

Eine Disziplin ist zunächst ein Prinzip der Einschränkung, ein Kontrollprinzip der Produktion von Diskursen und erlaubt Konstruktionen im Hinblick auf einen bestimmten Gegenstand mit einem spezifischen Fokus nach bestimmten Spielregeln. Man kann und soll diese selbstverständlich auch kritisieren, in den Effekten reflektieren und sich undiszipliniert geben. Eine Disziplin ist aber auch eine soziale Struktur, die nicht nur begrenzt, sondern Diskurse und Differenzierung erst ermöglicht. Sinnstiftung kann nur diskursiv erfolgen. 

In: Schweizerische Zeitschrift für Soziale Arbeit, 2006, 21, 37-46

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2005

Rationalisierung der Jugendfürsorge

Elena Wilhelm

   

«In ihrer kritisch angelegten und theoretisch fundierten Studie zur Entstehungsgeschichte der modernen Jugendfürsorge leistet Elena Wilhelm einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Debatte über das Aufgaben- und Selbstverständnis der Sozialen Arbeit. Auf der Basis von reichhaltigem Fallmaterial (auf Compactdisc der Publikation beigelegt) wird in einer theoretisch angeleiteten Analyse dargelegt, wie in den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts eine am Dispositiv der «Verwahrlosung» orientierte und sich dadurch konstituierende Praxis der Jugendfürsorge entsteht. Auf dem Wege über die Rationalisierung der Kinder- und Jugendfürsorge bildeten sich neue Steuerungsformen des Sozialen heraus, die mit dem Foucault'schen Begriff der gouvernementalité gefasst werden können. In den neuen Fürsorgepraktiken zeigt sich nach Wilhelm nicht das Verschwinden einer bestimmten Machtform (Sozialdisziplinierung), wie dies andere neuere Untersuchungen darlegen wollten, sondern deren Transformation in eine andere.»

«Die Arbeit von Elena Wilhelm stellt die Historiographie der Sozialpädagogik und die systematische Theoriebildung in dieser vor eine erkenntnistheoretisch wie inhaltlich neue Situation. Die Sozialpädagogik wird sich an ihrer Untersuchung abarbeiten müssen, möglicherweise mit noch gar nicht absehbaren, radikalen Konsequenzen für die eigene Theorie.» (Michael Winkler)

«Die Arbeit markiert in vielerlei Hinsicht einen neuen Stand im Prozess der Reflexion und Klärung der sozialpädagogischen Aufgabe; sie lässt vergleichbare vorausgegangene Bemühungen sowohl in der Differenziertheit der Argumentation wie auch in der Reichweite der eröffneten Perspektiven weit hinter sich.» (Walter Hornstein)

2005. Haupt Verlag. Das Buch ist vergriffen.

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2005

Soziale Arbeit und Gesellschaftspolitik

Elena Wilhelm

   

An der Tagung «Soziale Arbeit hat Zukunft», die im Jahr 2000 veranstaltet wurde, hat Roland Merten die Frage aufgeworfen, ob die Soziale Arbeit ein politisches Mandat habe oder nicht. Er selbst hat diese Frage mit «Nein» beantwortet, was im Anschluss zu einer heftigen Debatte geführt hat. Unabhängig von dieser teilweise ideologisch und berufspolitisch geführten Debatte, steht die historisch-empirische Tatsache, dass die Soziale Arbeit, ob sie es will oder nicht, ob es ihr bewusst ist oder nicht, in hohem Masse in gesellschaftspolitische Vorgänge verstrickt ist. Zwei gängige Thesen der sozialpädagogischen Geschichtsschreibung sind an dieser Stelle zu revidieren. 

In: Integras (Hg.) Soziale GmbH. Auslegeordnung in der sozial- und heilpädagogischen Arbeit, 2005, 49-53.

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2005

Zum Wandel des Selbstverständnisses in der Sozialen Arbeit

Elena Wilhelm

   

Während in der Praxis der Sozialen Arbeit seit geraumer Zeit Modelle in einer eigenartigen Gemengenlage aus bürokratischer und neoliberaler Organisationslogik im Chargon des Management vorgetragen und umgesetzt werden, hat im Theoriediskurs die Dienstleistungstheorie Sozialer Arbeit Konjunktur, die ebenfalls einer neoliberalen Logik unterliegt. Diese Modelle in Theorie und Praxis ignorieren dabei aber die erschwerende Handlungs- und Organisationslogik der Sozialen Arbeit, die ihren Ausgangspunkt in ihren Ursprüngen Ende des 19. Jahrhunderts hat und die mit neoliberalen Modellen nicht überwunden werden kann. Nicht nur historisch, sondern auch empirisch und professionalisierungstheoretisch betrachtet, muss die Professionalisierung der Sozialen Arbeit im Grunde genommen als gescheitert betrachtet werden. Die dieses Feld nach wie vor strukturierende bürokratische Logik und die zunehmende Marktlogik stehen im Gegensatz zur Logik professionalisierten Handelns. Die spezifischen Leistungen von Professionen lassen sich nämlich weder administrativ noch durch den Markt kontrollieren. Sie erfordern eine kollegiale, auf die Verinnerlichung professionsethischer Ideale angewiesene Selbstkontrolle. 

2005

Degeneriert, verwahrlost, moralisch defekt

Elena Wilhelm

   

Das vorliegende Dokument präsentiert eine Auswahl von Jugendfürsorgefällen, eine Anthologie von Existenzen, die sich über den Zugriff der rationellen Jugendfürsorge in die Geschichte eingeschrieben haben. Die administrativen Einrichtungen haben untersucht, inspiziert, beobachtet, registriert, verhört, begutachtet, geklagt und all diese Tätigkeiten haben sich in einer unüberschaubaren Masse von Dokumenten niedergeschlagen, die das wachsende Gedächtnis des gewöhnlichen Lebens bilden. Für dieses Leben entstand im ausgehenden 19. Jahrhundert eine neue Regie, die den Menschen das Gesicht der Liederlichkeit, der Verwahrlosung, der Verkommenheit, des moralischen Defektes und der Lasterhaftigkeit zuteilte. Hinter den Etikettierungen der Nachbarinnen und Hausmeister, der Pfarrer und Lehrer, der Verwandten und der administrativen und rechtlichen Organe, die – wie eine Inspektionsgehülfin erklärt – meistens übertrieben, unverhältnismässig, ungerecht und manchmal unwahr gewesen waren, stehen Menschen, die gelebt haben und gestorben sind, Menschen, die gelitten haben, die wütig waren, hasserfüllt, eifersüchtig, verletzlich, arm, traurig, verzweifelt, überfordert, hilflos, liebenswürdig und leidenschaftlich. Die Texte sind ein Stück in der Dramaturgie ihrer Wirklichkeit. In den Texten werden ihre Leben verwaltet und verhandelt: das Leben des brutalen, rohen, arbeitsscheuen und heuchlerischen Heinrich, der lasterhaften und lügnerischen Rosmarie, der frechen und verdorbenen Elisabeth, das Leben des psychopathischen, eitlen, abenteuerlichen und refraktären Arne, des geisteskranken und unverbesserlichen Toni, der entgleisten, liederlichen, unzüchtigen Ilse, des aufgeblasenen, arroganten, renommiersüchtigen aber erziehungsfähigen Walter, das Leben der trotzigen und leichtsinnigen Linda und dasjenige der willigen, intelligenten aber zum Lügen abgerichteten und gefährdeten Anna.

Erschienen als Beilage zur Publikation «Rationalisierung der Jugendfürsorge» (Das Buch ist vergriffen)

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2005

Soziale Arbeit unter der Bedingung von Ambivalenz 

Elena Wilhelm

   

Geschichte stösst nicht immer auf Interesse. Das erstaunt nicht, da uns die Gegenwart ständig konkretes Handeln und Entscheidungen abverlangt, für die, so scheint es zumindest, die Beschäftigung mit Geschichte kaum etwas zu bieten hat. Geschichte vermag uns tatsächlich keine Handlungsanweisungen zu geben. Die Beschäftigung mit Geschichte lässt aber verstehbar werden, weshalb sich die Gegenwart in der gegebenen Form darstellt. Geschichte schreiben und erzählen ist ein Akt, in dem wir die Zeiterfahrung auf aktuelle Orientierungsbedürfnisse hin beziehen können. Geschichte und Geschichten ermöglichen eine Distanzierung und die Aufklärung über unser eigenes Tun. Zu einer kritischen Erzählung wird eine solche Annäherung an Geschichte dadurch, dass mit ihr die Selbstverständlichkeit gegenwärtiger Diskurse und Praktiken gebrochen werden kann und die sie stützenden Normen hinterfragbar werden. Damit aber wird eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung alternativer Denk- und Handlungsmöglichkeiten in der Gegenwart geschaffen. 

Kapitel in: Integras (Hg.) Soziale GmbH. Auslegeordnung in der sozial- und heilpädagogischen Arbeit, 2005, 15-21

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2004

Pathologie der Moderne oder antimoderne Jugendfürsorgepraxis? 

Elena Wilhelm

   

Die Ergebnisse der historischen Jugendfürsorgeforschung scheinen sich zu widersprechen. Ist die Jugendfürsorge zu Beginn des 20. Jahrhunderts angetreten, um die Unterschichten im Hinblick auf bürgerliche Verhaltensweisen zu disziplinieren? Waren ihre Adressaten und Adressatinnen passiv leidende Opfer? Oder waren ihre Objekte kämpferische Subjekte, die ihrerseits die Fürsorgeeinrichtungen kolonialisierten und disziplinierten und die Jugendfürsorge zum Umdenken zwangen? War es dieses Widerstandspotenzial der Betroffenen, das die Jugendfürsorge Ende der 20er Jahre in eine Krise trieb? Oder steuerte sie sich selbst mit ihrem konservativen, antimodernen Charakter in den Untergang? Oder war es die in ihr von Beginn an angelegte Ambivalenz, die in ihr angelegte Janusköpfigkeit der Moderne, die sie scheitern liess? Wie sinnvoll ist es überhaupt, die Geschichtsschreibung der Jugendfürsorge auf die Krise der Weimarer Republik anzulegen? Die Ausführungen resümieren und diskutieren den Forschungsstand auf der Grundlage einer eigenen Untersuchung zur Geschichte der Jugendfürsorge in der Schweiz. Dabei erweist sich die Frontstellung der Thesen als unfruchtbar, da sie eine differenzierte Analytik der Transformationen der Jugendfürsorge in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts behindert.

In: Neue Praxis, 2004, 5, 425-443

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2002

Die Herausbildung neuer Steuerungsformen des Sozialen

Elena Wilhelm

   

Die sozialpädagogischen und sozialarbeiterischen Theoriebildungsversuche erweisen sich auf der Grundlage der historischen Selbstvergewisserung als allzu idealistische Konzipierungsversuche. Die Schilderung der Sozialpädagogik als Vermittlung von Mündigkeit und Zurechnungsfähigkeit, die Definition der Sozialarbeit als Wahrung der Menschenrechte oder als Hilfe zur Lebensbewältigung beschreiben den sozialpädagogischen Traum und die sozialarbeiterische Utopie. Wir brauchen eine Theoretisierung des Feldes und das heißt: wir brauchen Begriffe, mit denen die Komplexität und Vieldeutigkeit der Bearbeitung der «Mischzone des Sozialen» erfasst werden kann. Die aktuellen Abgrenzungsbemühungen zwischen Sozialarbeit und Sozialpädagogik erschweren dabei die Rekonstruktion der Logik des Feldes. Wenn Martin Graf die nicht begründete und utopische Vorstellung hegt, die Sozialpädagogik könne sich über eine Loslösung von der Sozialarbeit gegenüber sozialstaatlichen Vereinnahmungen abgrenzen,  wenn Sozialarbeitswissenschaftler/-innen ihrerseits glauben, sich über eine Loslösung von der Sozialpädagogik von disziplinierenden und individualisierenden Strategien befreien zu können,  dann werden damit die Probleme der Sozialen Arbeit zugespitzt und unlösbar gemacht.  Die Abgrenzungsbemühungen verhindern die Rekonstruktion der für die Soziale Arbeit konstitutiven Verschränkung von sozialpädagogischen und sozialarbeiterischen Traditionslinien.

 

Buchkapitel in: Andresen et al. (Hg.). Gesellschaftlicher Wandel und Pädagogik, 2002, 38-51.

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2001

Forschung als Rückgrat von Disziplin und Profession

Daniel Gredig und Elena Wilhelm

   

Eine getrennte Entwicklung von Sozialarbeitsforschung und sozialpädagogischer Forschung hätte aber wohl auch auf anderer Ebene Konsequenzen. Tragen die Forschungstraditionen unterschiedliche Namen und laufen die Trennlinien zwischen ihnen den Grenzen von Ausbildungsstätten entlang, ist die Tendenz zu gewärtigen, dass den Studierenden dieser Ausbildungsstätten vor allem die Erkenntnisse aus den Forschungstraditionen vermittelt werden, die ihrem Ausbildungsort zugeordnet sind. Es ist damit zu befürchten, dass Erkenntnisse aus der jeweils anderen Tradition weniger Beachtung finden und sich die Absolventen und Absolventinnen auf Wissensbestände und Debatten konzentrieren, die unter dem Etikett des eigenen Studienabschlusses laufen. Angesichts von zwei Disziplinen an zwei Orten ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Professionellen der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit je in ihrer Welt abschliessen und ihr professionelles Wissen aus den unterschiedlichen Quellen der gleichnamigen Forschung und Theoriebildung speisen werden. Es scheint angemessen, zu diesem Zeitpunkt einen Marschhalt und eine Denkpause einzufordern. Eine Trennung von sozialpädagogischer Forschung und Sozialarbeitsforschung entlang der in den besprochenen Bänden hervorgetretenen Linien dürfte für die Entwicklung der Disziplin wenig vorteilhaft und mit Blick auf die Profession, mit der die Disziplin korrespondiert, verheerend sein. 

 

In: Zeitschrift für Pädagogik, 2001, 5, 693-702.

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2000

Professionalität

Agnès Fritze, Daniel Gredig, Elena Wilhelm

   

Die sozialpädagogische bzw. sozialarbeiterische Professionalisierungsdebatte qualitativ zu wenden, von ideologischen und normativen Modernisierungsversuchen zu befreien und zu einer empirisch fundierten Abstützung der Argumentation überführen zu wollen, ist ein Vorhaben, das für die weitere Professionsdebatte in der Sozialen Arbeit von Vorteil wäre. Darin ist Thole und Küster-Schapfel ohne Vorbehalt beizupflichten. Um so erstaunlicher ist es dann, dass die Autoren dem Publikum ausgerechnet zu diesen Fragen die ungereimten Ergebnisse von Forschungsprojekten vorlegen, die von Studierenden im Rahmen von Übungen bearbeitet wurden und nun als Fragment präsentiert werden. Professionalität – so will es scheinen – erweist sich mithin als eine Herausforderung für Berufspraxis und Forschung zugleich.

In: Zeitschrift Forschung & Wissenschaft Soziale Arbeit, 2000, 2, S. 25-35.

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